Die Zitrone aus Sicht der TCM
16. April 2019Zur Zeit bin ich auf Mallorca, wo ich Yoga unterrichte und noch ein bisschen Urlaub mit meiner Familie verbringe. Wir wohnen in einer zauberhaften Finca inmitten eines Zitronen- und Orangenhains mit Sicht auf das Tramuntana-Gebirge und verbringen hier herrlich unaufgeregte Tage.
Während ich diese Zeilen schreibe, blicke ich in unseren Garten und bin immer wieder überwältigt von der Pracht, die hier um uns herum herrscht. Während wir in Deutschland Zitruspflanzen hegen und pflegen müssen, um überhaupt ein paar Früchte heranzuziehen, wachsen sie hier in Hülle und Fülle, begünstigt durch das milde, sonnige Klima, und bescheren den Menschen eine willkommene Erfrischung im Sommer.
Geschmack und Thermik
Wie die Zitrone, so wachsen alle Zitrusfrüchte in südlichen Ländern, wo es meistens heiß ist und die Menschen nach Abkühlung suchen. Stellst Du Dir vor, in eine Zitrone zu beißen, kannst Du die Wirkung des sauren Geschmacks sofort selber nachvollziehen: Sauer zieht zusammen, leitet die Energie nach innen und bewahrt so die kostbaren Körpersäfte (deren Mangel z.B. Durst auslöst). Aus diesem Grund hilft ein Spritzer Zitrone im Wasser ganz wunderbar gegen übermäßiges Schwitzen an heißen Sommertagen oder beim Sport.
Bei uns in Mitteleuropa herrscht hingegen ein ganz anderes Klima, weswegen bei uns auch ganz andere Pflanzen wachsen und weswegen wir uns über die kühlende und befeuchtende Wirkung der Zitrusfrüchte bewusst sein sollten.
Hitze ausleiten
Dank seiner erfrischend-kalten Natur ist Zitronensaft ein hervorragendes Mittel um Hitze auszuleiten. Was nach westlichen Maßstäben einer antibakteriellen, entzündungshemmenden und beruhigenden Wirkung entspricht, kann nach der TCM in allen Fällen von Hitze eingesetzt werden.
Auch als Schlaftrunk wirkt Zitronensaft bei Menschen, die in den Stunden um 3 Uhr nachts plötzlich wach werden, einer Schlafstörung, welche nach der TCM auf eine Hitze im Funktionskreis Leber zurückzuführen ist und typischerweise von einem „yangisierenden“ Abendessen und/oder Alkohol verschlimmert wird.
Die antiseptische Wirkung der Zitrone kann auch bei Entzündungen im Hals- und Rachenraum zum Einsatz kommen, so zum Beispiel in Form eines heißen Zitronensafts. Auch bei Zahnfleischbluten oder Mundgeruch (nach der TCM oft Symptome von Magen-Hitze) ist Zitronensaft ein wunderbares Mittel.
Äußerlich kann Zitronensaft mehrmals täglich aufgetragen Pickel wirksam bekämpfen, da auch diese ein Hitze-Symptom darstellen.
Vorsicht im Winter
Zitrusfrüchten haftet der Ruf an, dass sie den Menschen vor Erkältung schützen. In der westlichen Schulmedizin wird der hohe Gehalt an Vitamin C für diesen Effekt verantwortlich gemacht. Laut TCM ist beim Verzehr von Zitronen, Orangen & Co. in der kalten Jahreszeit allerdings Vorsicht geboten, da ihre kühlende und befeuchtende Wirkung dann schnell zu einer Schwächung des Immunsystems führen kann, was die Entstehung von Erkältungen begünstigt.
Zitronen (wie alle anderen Zitrusfürchte auch) sollten daher gezielt und sparsam eingesetzt werden, wenn kalte Temperaturen vorherrschen – was ja leider auch noch im Frühling der Fall sein kann…!
Und auch wenn Du schon erkältet bist, ist Vorsicht geboten. Denn so wie der saure Geschmack die Körpersäfte bewahrt, so hält er auch die pathogene (krankmachende) Feuchtigkeit im Körper, was gerade bei verschleimter Lunge mit Husten oder Schnupfen sehr ungünstig ist.
Beim Beginn einer Infektionskrankheit ist von sauer ebenfalls abzuraten. Durch den sauren Geschmack werden Erreger „nach innen“ gezogen, statt nach außen abgeben, so dass die “heiße Zitrone” aus Sicht der TCM deshalb nicht angebracht ist.
Die Schale löst Schleim
Die TCM verwendet verschiedene Zitrusfrüchte als Heilkräuter, doch meist kommen davon nur die getrockneten Schalen zum Einsatz. Wie viele andere Zitrusschalen hat auch die Zitronenschale die wertvolle Fähigkeit, Schleim zu lösen. Eingesetzt werden kann dies sowohl als Unterstützung für die Lunge (bei Asthma oder Husten mit viel Auswurf), als auch bei Schleimstörungen im Zusammenhang mit Übergewicht, Bluthochdruck oder ungesunden Blutfettwerten.
Natürlicher Detox für den Körper
Der saure Geschmack hat auch eine unterstützende Wirkung auf die Leber, da er den Stoffwechsel anregt und fettlösend wie auch fettabbauend wirkt. Den Tag mit einem warmen Glas Zitronenwasser zu beginnen (idealerweise mit zahnschmelzschonendem Zitronenöl, das aus der Zitronenschale gewonnen wird), ist also nicht nur ein Frischekick für die Geschmacksnerven, sondern auch eine wunderbare Unterstützung für die natürlichen Entgiftungsmechanismen des Körpers.
Den sauren Geschmack über Pickles (milchsauer-vergorenes Gemüse, wie zum Beispiel Gewürzgürkchen aus dem Glas, Sauerkraut oder auch selbstgemachte Varianten, siehe unter der Rubrik Rezepte) ist ebenfalls eine einfache und wirkungsvolle Möglichkeit, den Körper bei der (Fett-)Verdauung und Regulierung bzw. Bewahrung der Körpersäfte zu unterstützen.